UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR NIEREN- UND HOCHDRUCKKRANKHEITEN, DIABETOLOGIE UND ENDOKRINOLOGIE

Nierenerkrankungen: warum werden akute und chronische Formen unterschieden?

Zum Verständnis der Ursachen, Abschätzung der Prognose und Möglichkeit(en) einer Therapie ist die Unterscheidung in akute und chronische Nierenerkrankungen sinnvoll.

Akute Schädigungsmechanismen umfassen Minderdurchblutungen bei starkem  Blutverlust (wie bei einer großen Operation, einem Verkehrsunfall mit inneren oder äußeren Blutungen, einem Geburtsvorgang mit Komplikationen), Medikamente mit einer gefäßverengenden Wirkung in der Niere (vor allem Schmerzmittel wie Diclofenac und Ibuprofen) oder direkter Nierenschädigung aufgrund Anreicherung in den Nierenzellen bei den Ausscheidungsvorgängen (Entgiftung vieler Substanzen über die Nieren. Bei Überdosierung oder besonderer Anreicherung in der Niere kommt es zu einer Schädigung und fehlender Ausscheidung über den Urin).

Demgegenüber stehen chronische Schädigungen der Nierenzellen über einen längeren Zeitraum, Monate oder Jahre dauernd, mit unterschiedlicher Ausprägung, oft in Kombination auftretend, die zu einem Verlust von Nierengewebe führen und somit nach Aufbrauchen einer Nierenfunktionsreserve zu einem Anstieg der Nierenwerte im Blut. Betroffene weisen meist ein Risikoprofil mit Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder positive Familienanamnese für Nierenkrankheiten (es gibt einige genetisch bedingte Nierenerkrankungen) auf.

Die Symptome der akut wie chronisch abnehmenden Nierenfunktion sind meist unspezifisch, daher ergeben (Routine-)blutergebnisse für Betroffene wie behandelnde Ärzte oftmals die eingeschränkte Nierenfunktion erstmalig als Befund. Bei der akuten Nierenschädigung steigen definitionsgemäß die Nierenwerte (Kreatinin im Serum) über einen Zeitraum von 24 bis 48 Stunden an (um 50 bis 100%) oder die Urinausscheidung fällt unter 500 ml/Tag ab. Dies ist für Betroffene in aller Regel nicht wahrnehmbar. Findet die Entgiftung über die Nieren nicht statt, kann es innerhalb von einer Woche jedoch zu Zeichen der Blutvergiftung (der Urämie) kommen, mit Folgen für das Herz (Herzrhythmusstörungen), den Darmtrakt (Durchfälle, Appetitlosigkeit), die Muskulatur (Abgeschlagenheit, Zittern) und das Gehirn (Konzentrationsstörungen, Erbrechen, Sehstörungen). Eine verminderte Urinausscheidung muss bei einem Nierenversagen jedoch nicht eintreten. Im Gegenteil, bei einer Nierenschädigung durch Medikamente kann die Harnkonzentrierung aufgehoben sein. Entgegen der Erwartung stimmt die Urinmenge nicht mit der Nierenfunktion übereinstimmt, es kommt sogar zu einer gesteigerten Urinmenge.

Bei der chronischen Nierenfunktionseinschränkung sind die Symptome ähnlich wie für die akute Nierenschädigung, in gewissem Umfang kann sich der Körper jedoch an den Zustand gewöhnen und daher fällt die Abgeschlagenheit und Appetitlosigkeit nicht immer auf. Der Hormonhaushalt von Betroffenen ist jedoch deutlich verändert, weil die Nieren an der optimalen Einstellung der Salze (Kalium, Kalzium, Natrium, Magnesium), anorganischer Verbindungen (Phosphat), der Vitamine (z.B. Vitamin D Aktivierung) und Blutbildung (Erythropoetin als ein die Blutbildung förderndes Hormon wird in der Niere gebildet und stimuliert das Knochenmark) beteiligt sind. Viele weitere Stoffwechselvorgänge können eingeschränkt sein (wie der Eisenhaushalt, Spurenelemente usw.).

Eine Nierenerkrankung wird auf einfache Weise durch die Bestimmung des Serum-Kreatinins nachweisbar. Erhöhte Kreatininwerte weisen auf eine erniedrigte „glomeruläre Filtrationsrate“ hin. Der komplizierte Begriff beschreibt, dass die Nieren eine eingeschränkte Fähigkeit haben, Abbauprodukte des Stoffwechsels auszuscheiden. Einschränkend muss gesagt werden, dass die Serumkreatininwerte erst ansteigen, wenn schon  mehr als 60% der Nierenfunktion (beide Nieren zusammen) verloren ist. Somit stellt Kreatinin kritisch betrachtet einen schlechten Nachweis für die Nierenfunktion dar, weil erhöhte Werte erst spät die Beteiligten warnen. Zudem steigt er nicht innerhalb von Stunden, sondern Tagen an. Neue Richtlinien klassifizieren den Schweregrad der chronischen Nierenerkrankung in fünf Stadien: Stadium 1 ist die mildeste Form, Stadium 5 zeigt eine schwere Krankheit mit sehr stark fortgeschrittener Nierenfunktionseinschränkung an.

Weiterhin weisen im Urin Eiweiß oder rote Blutkörperchen auf eine gestörte (Filter-)Funktion der Nieren hin, da diese Blutbestandteile bei guter Funktion nicht die Blut-Urin-Schranke überwinden oder vor Ausscheidung mit dem Urin wieder zurücktransportiert werden.

Um die Ursache einer Nierenschädigung zu diagnostizieren, werden verschiedene Formen der „medizinischen“ Bildgebung, Blutuntersuchungen und gegebenenfalls eine Nierenprobenentnahme (Biopsie: ein kleines Stück vom Nieren-Gewebe wird mit einer Nadel entnommen) durchgeführt.

Nierenspezialisten werden als Nephrologen bezeichnet und widmen sich der Abklärung und Planung von vorbeugenden Maßnahmen bei eingetretener Nierenschwäche. Ihr Aufgabengebiet ist von dem der Urologen zu unterscheiden, die als Fachgruppe bei Nierentumoren, Veränderungen der Vorsteherdrüse (Prostata) oder Auffälligkeiten der ableitenden Harnwege die Ansprechpartner der ersten Wahl sein sollten. Kommt es zu einer verminderten Harnausscheidung aufgrund einer Störung der ableitenden Harnwege (beispielsweise mit Bildung einer Überlaufblase), kann ebenfalls ein Nierenversagen eintreten, das in den meisten Fällen durch Beseitigung des Abflusshindernisses durch die Urologie behoben werden kann. Dauert der Stau des Urins länger an, sind beide Disziplinen gefordert, der Nephrologe wird  vor allem die medikamentöse Einstellung vornehmen.

Einer gezielten Behandlung durch den Nephrologen geht die Abklärung der Ursache einer Nierenschädigung voraus. Im fortgeschrittenen Stadium sind umfängliche medizinische Maßnahmen erforderlich, zumeist werden medikamentöse Einstellungen durchgeführt. Dies dient der Verhinderung eines weiteren Fortschreitens und ist in den meisten Fällen nachweisbar sehr erfolgreich durchführbar. Erst im Extremfall einer fehlenden Nierenfunktion mit Vergiftungszeichen erfolgt durch den Nierenspezialist (Nephrologen) eine Nierenersatztherapie (Dialyse). Ist diese erforderlich, sollten Vorbereitungen rechtzeitig getroffen werden. Grundsätzlich sind eine Bauchfelldialyse oder Blutwäsche möglich. Die Planung einer Nierenersatztherapie sollte jedoch wenigstens Monate im Voraus erfolgen.

In der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg verfolgen wir eine Reihe von Projekten mit dem Ziel, entzündliche Prozesse bei akuten und chronischen Nierenerkrankungen zu verstehen. Diese betreffen die spezialisierten Zellen der Nieren in den Nierenkörperchen (Glomeruli) wie in den ableitenden Strukturen innerhalb der Nieren (Tubuluszellen), einwandernde Entzündungszellen (Monozyten, Neutrophile, Mastzellen, Lymphozyten) und die Freisetzung von schädigenden Botenstoffen. Gerade die Interaktion der Zellen kann einen Gewebeuntergang in der Niere bei gestörter Kommunikation bedingen. Als Folge wird das funktionstüchtige Gewebe durch Narbengewebe unumkehrbar ersetzt.

Die Entdeckung und Etablierung von Biomarkern für Entzündungsvorgänge oder Gewebeschädigung kann helfen, eine frühzeitige Diagnose zu stellen, Therapieerfolge abzuschätzen und Therapien zu steuern. Unser aller gemeinsames Ziel ist es Nierengewebe und –funktion zu erhalten.

Letzte Änderung: 29.11.2019 - Ansprechpartner:

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